Von klein auf helfen lernen
Emmerting. Mit ihren kleinen, zarten Händen umklammert die neunjährige Nele das Strahlrohr. Hinter ihr halten ihre Freunde den Schlauch, auch sie greifen mit ganzer Kraft zu. Dann löst Nele ihre linke Hand von der Spritze und zieht den Hebel nach vorn. Sie stemmt sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Rückstoß, als das Wasser aus dem Strahlrohr herausschießt. "Wuhu, das macht Spaß", schreit Nele.
Die Neunjährige ist eine von knapp 35 "Feia-Sanis" in Emmerting. Die Feia-Sanis – das ist ein Gruppierung aus jungen Feuerwehrlern und Rot Kreuzlern. Sehr jungen um genau zu sein. Das Höchstalter liegt bei 13 Jahren, nur wer jünger ist, darf mitmachen. Außerdem werden nur Kinder aus dem Gemeindegebiet Emmerting aufgenommen. Diese Regelung haben sich die Feia-Sanis selbst auferlegt. "Ansonsten würde die Gruppe zu groß werden. 35 Kinder sind ohnehin schon eine Hausnummer", erklärt der Chefausbilder der Jugendgruppe Michael Muhr.
Muhr ist die Bezugsperson für die Kinder. "Mike, schaust du mal her? Mike, kommst du bitte? Mike, wo bist du?" – quasi im Sekundentakt ruft einer der jungen Feia-Sanis nach dem 40-Jährigen, der als Werksfeuerwehrmann in Gendorf arbeitet. "Natürlich ist das manchmal anstrengend. Aber in leuchtende Kinderaugen zu blicken, zu sehen wie sehr ihnen die Übungen Spaß machen – das entschädigt jeden Stress. Ich mache das sehr, sehr gerne", betont Muhr. Dennoch ist er froh über Unterstützung. Simone Laumann, Stefan Killinger und Eva Muhr bringen den Kindern ebenfalls das Einmaleins der Feuerwehr und des Roten Kreuzes bei. Die vier Ausbilder wechseln sich bei den Übungen ab, in der Regel sind immer zwei Erwachsene vor Ort.
Die Kinder üben jede Woche eine Stunde lang, wie man sich als Sanitäter oder Feuerwehrmann verhält. Die Ausbilder ermutigen sie, sich im Notfall helfen zu trauen. Unter dem Motto "Keiner ist zu klein, um Helfer zu sein" zeigen die Ausbilder den Kindern Unfallgefahren auf und führen sie kindgerecht an das Thema "Erste Hilfe" heran. So wird gezeigt, wie Unfälle zu vermeiden sind und wie man im Ernstfall richtig und fachgerecht Hilfe leisten kann. Die Lektionen werden sowohl theoretisch besprochen, wie auch praktisch geübt. Abschließend steht ein Erste Hilfe Kurs an.
Im Feuerwehrbereich ist das Programm ebenso abwechslungsreich. Beim Zielspritzen auf Wassereimer lernen die Kinder den Umgang mit Schläuchen, zudem zeigen ihnen die Ausbilder, was alles im Feuerwehrauto zu finden ist und was ein Feuerwehrmann im Einsatz alles trägt. Auch für den Rettungseinsatz wichtige Knoten werden ihnen beigebracht. Und sie lernen Fachbegriffe, wie eine Wortmeldung Hannas beweist. "Das Strahlrohr hat zwei Funktionen. Den Sprühstrahl und den Druckstrahl", erklärt sie, als sie von Michael Muhr danach gefragt wird. "Man merkt, dass die Übungen nicht nur ein Spaß sind. Die Kinder lernen dabei etwas. Damit meine ich nicht nur Fachbegriffe, sondern auch Fähigkeiten wie Teamarbeit oder Verlässlichkeit", betont Muhr.
Speziell die Feuerwehrübungen stehen bei den Kindern hoch im Kurs. "Das Wasserspritzen macht Spaß. Vor allem das Nasswerden", sagt der achtjährige Lukas. Sein grünes T-Shirt ist mittlerweile durchnässt, denn nicht alles läuft bei den Übungen der Feia-Sanis glatt. Da wird statt dem Druckstrahl mal der Sprühstrahl aufgedreht, womit alle Kinder in der Nähe nass gemacht werden. Da wird auch mal ein Schlauch fallen gelassen, was gleich zu großer Hektik und Geschrei führt. Aber die Kinder haben Spaß und sie lernen schnell. Beim Zielspritzen auf den Eimer könnten es einige wohl gar schon mit den erwachsenen Feuerwehrmännern aufnehmen, so genau treffen sie.
Dass die Kinder Spaß haben, dass sie lernen Erste Hilfe zu leisten und zusammen zu arbeiten – das bestärkt Michael Muhr. "Das zeigt mir, dass es richtig war die Feia-Sanis zu gründen", sagt der vierfache Familienvater. Die Idee zu den Feia-Sanis schwirrte ihm nach eigener Aussage schon lange im Kopf herum. Muhr ist seit langem bei beiden Organisationen aktiv. Sowohl Feuerwehr als auch das BRK haben jedoch mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Das Rote Kreuz hatte in Emmerting schon seit längerem keine Jugendgruppe mehr und bei der Feuerwehr sind Kinder unter 14 Jahren generell außen vor. Als Muhr seine Idee vorstellte, waren beide Gruppen sofort Feuer und Flamme. "Wir werden von der Feuerwehr und dem BRK sehr gut unterstützt. Wenn wir Hilfe brauchen, bekommen wir die auch", ist Muhr dankbar.
Seine Feia-Sanis sind mittlerweile das Aushängeschild der Emmertinger Hilfsorganisationen, schließlich ist eine solche kombinierte Jugendgruppe einmalig im Landkreis. Doch schon bald könnten weitere folgen. "Es haben sich bereits viele andere Feuerwehren und Rot-Kreuz-Gruppen bei mir erkundigt und sich informiert. Vielleicht gibt es ja bald noch mehr Feia-Sanis in der Region", so Muhr.
Quelle www.pnp.de vom 24.10.2018
Foto 1: Ausbilder Michael Muhr zeigt Nele den Umgang mit dem Strahlrohr. Sie ist eine von 35 Feia-Sanis in Emmerting. −Fotos: Meyer
Foto 3:Geduldig erklärt Muhr den Kindern, wie der Verteiler funktioniert.